SZ 20.2.2012
Dauer-Wischen gegen die Katastrophe
Wasser für 50 volle Badewannen läuft pro Tag durch das kaputte Dach der Eishalle. Dutzende Helfer sind rund um die Uhr im Einsatz, doch das Drama verschärft sich.
Von Tobias Wolf
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Teile der Gipskartondecke im Toilettentrakt liegen zerstört am Boden.
Überall bahnt sich Wasser seinen Weg. Von den Betondecken tropft es unaufhörlich in die Eishalle, in der sonst die Dresdner Eislöwen ihre Eishockey-Heimspiele bestreiten. Der Regen am Wochenende hat die Notlage weiter verschärft: 20 Helfer kämpfen verzweifelt gegen die Wassermassen.
Einer von ihnen ist Heiko Kühne. Er blickt erschöpft zur Hallendecke, bevor er sich wieder auf seinen fahrbaren Nass-Sauger setzt und die nächste Runde dreht. Die Stellen, wo das Wasser durchdrückt, kann er längst nicht mehr zählen. Am Mittwoch war der Schaden am Kunststoff-Dach der Halle aufgefallen. Seither ist Kühne mit seinen Kollegen vom städtischen Sportstättenbetrieb im Einsatz–rund um die Uhr. „So etwas hab ich noch nie erlebt“, sagt der 45-Jährige. „Wir können hier momentan nur Schadensbegrenzung betreiben.“
Sobald Kühne den Kunststoff-Boden einmal komplett abgefahren hat, muss er wieder von vorne anfangen, damit das Wasser nicht noch mehr Schaden im Kabinenbereich des Untergeschosses anrichtet. Es bleibt kaum Zeit, die zahlreichen Auffangbehälter zu leeren, die rund um die Eisfläche unter den größten Lecks platziert worden sind. Weil alles ganz schnell gehen musste, griffen die Mitarbeiter zu allem, was sie bekommen konnten: Selbst Brotkisten und Senfeimer fangen Wasser auf.
Zeit und Frost als Feinde
„Pro Tag müssen wir hier rund 5000 Liter Wasser rausbringen, das durch das Dach kommt“, sagt Kühne. Wenigstens funktioniere die Kanalisation außerhalb des Gebäudes. Wann er sich wieder vollends seinem eigentlichen Job widmen kann, ist derzeit unklar. Normalerweise ist er Eismeister, bereitet die Spielfläche für die Sportler vor. „Jetzt hobele ich nur die Stellen ab, an denen das Wasser direkt auf die Eisfläche tropft“, sagt er. „Das ist an mancher Stelle fast so, als müsste man Stalagmiten in einer Tropfsteinhöhle entfernen.“
Derweil ist Kollege Henry Gerlach mit dem Handsauger unterwegs. Damit holt er das Wasser überall da raus, wo keine Maschine hinfahren kann. Hat er die Flächen unter den Treppenaufgängen fertig, muss er in den Oberrang. Dort und in den Sitzbereichen steht das Wasser an einzelnen Stellen bis zu fünf Zentimeter hoch. Auch die Toiletten hat es erwischt. Dort hat das Wasser große Teile der Gipskartondecke zum Einsturz gebracht.
Nicht viel besser sieht es in der Geschäftsstelle und im VIP-Bereich der Eislöwen aus. Fassungslos läuft Geschäftsführer Matthias Broda auf dem durchnässten Teppich hin und her, weicht den Wassertropfen von der Decke aus und telefoniert immer wieder. Das Heimspiel am Freitag gegen Kaufbeuren hat er schon absagen müssen. Es soll im März nachgeholt werden. Nun fürchtet Broda die kommenden Wochen. „Diese Situation ist eine Katastrophe und könnte existenzbedrohend für uns werden“, sagt er. „Und das in einer der für uns sportlich wichtigsten Phasen.“ Dazu kommen die Einnahmeausfälle, wenn kein Spiel stattfinden kann.
Eine ganz andere Gefahr lauert im Dach– wenn noch einmal richtig Frost kommt. Denn dann könnte die mit Wasser vollgesogene Dämmschicht noch schwerer werden und die gesamte Dachkonstruktion zum Einsturz bringen, eine Katastrophe. Die besteht nur aus Querträgern, einer dünnen Schicht Blech, Dämmung und einer Kunststofffolie. Letztere ist wie bei einer eingeschlagenen Autoscheibe über das ganze Dach eingerissen.
Mit etwa 400 Meter Klebeband hatten Dachspezialisten noch am Donnerstag versucht, das Problem einzudämmen. Angesichts von großflächigen Spalten mit einer Gesamtlänge von mehreren Kilometern blieb der Versuch aber wirkungslos.
Ein Dach für das Dach?
Wer für den Schaden an der 30 Millionen Euro teuren Halle aufkommt, ist indes weiter unklar. Der Dachdeckerbetrieb ist pleite. Zudem hatte die Stadt nach einem Rechtsstreit im August 2011 auf sämtliche Forderungen gegen die Firma verzichtet. Die Stadt könnte also auf den Reparaturkosten sitzen bleiben. Für eine Sanierung muss außerdem das Wetter mitspielen. Deshalb müsse jetzt zunächst dringend eine Notlösung gefunden werden, sagte Sven Mania, Chef des städtischen Sportstättenbetriebs.
Denn es soll auch in den nächsten Tagen immer wieder regnen. Eine Möglichkeit wäre, großflächige Planen über das rund 8000Quadratmeter große Dach zu legen. Zudem sollen Bausachverständige heute vier Messpunkte an den Stahlträgern der Halle anbringen, die mögliche Verformungen des Daches frühzeitig erkennen lassen.
Toiletten
Dachrisse