Ein Interview, welches mich persönlich sehr nachdenklich stimmt.
Alles Gute und viel Glück, Jari !
SZ, 20.09.2012
„Du schaffst das“
Von Berthold Neumann
Wie der Dresdner Eislöwen-Profi Jari Pietsch gegen seine Krebserkrankung kämpfte.
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Ein nachdenklicher junger Mann in der Kabine der Dresdner Eislöwen: Stürmer Jari Pietsch will nach seinem schweren Schicksalsschlag nur noch nach vorne schauen.Foto: Robert Michael
Jari Pietsch ist zurück. Dort, wo er am liebsten ist: bei den Dresdner Eislöwen, seiner Mannschaft, und auf dem Eis der EnergieVerbund-Arena, der Heimspielstätte des Eishockey-Zweitbundesligisten. Ein Dreivierteljahr war der Stürmer plötzlich aus allen Aufstellungen und Berichten verschwunden. Nur ganz wenige wussten, dass der gebürtige Berliner um sein Leben kämpfte: gegen den Krebs. Über Details seiner Erkrankung wollte Pietsch nicht reden. Lieber schaut er heute wieder voller Zuversicht ins Leben und auf die morgen beginnende Zweitliga-Saison, sagte der 21-Jährige im SZ-Gespräch.
Herr Pietsch, wie geht es Ihnen heute?
Danke, mir geht es wieder sehr gut. Ich freue mich auf jeden Tag und auf die neue Saison mit meiner Mannschaft sowieso.
Haben die Anforderungen des sportlichen und normalen Alltagslebens die Gedanken an Ihre schwere Erkrankung verdrängt?
Ich denke schon. Natürlich prägt einen die Erfahrung von Krankheit und Behandlung. Ich werde auch angesprochen, da wird es ohnehin thematisiert. Aber ich denke positiv. Für mich steht jetzt die neue Saison mit den Eislöwen im Vordergrund.
In der zweiten Eishockey-Bundesliga wartet eine intensive Serie mit allein 48 Hauptrunden-Spielen bis Anfang März auf Sie und Ihre Teamkameraden. Fühlen Sie sich überhaupt für diese Strapazen körperlich gewappnet?
Es soll nicht übertrieben klingen: Aber ich fühle mich besser als vor meinem krankheitsbedingten Aus. Ich habe physisch ein sehr gutes Niveau erreicht. Alles andere wird sich in der Saison zeigen, und ich hoffe, dass ich mich unter Trainer Thomas Popiesch weiterentwickeln kann.
Wie reagiert ein 20-Jähriger auf eine solche Diagnose?
Ich glaube, dass sich das vom Alter her nicht groß unterscheidet. Es war für mich eine niederschmetternde Diagnose wie sie für alle anderen auch ist. Ich musste erst mal schlucken. Danach war es zunächst wie ein schrecklicher Traum. Am Anfang dachte ich noch: Morgen wache ich auf, und das ist alles hoffentlich nicht wahr.
Wie ist die Nachricht von Ihrer unmittelbaren Umgebung aufgenommen worden?
Ich bin meinen Eltern heute noch unendlich dankbar, dass sie mich so aufopferungsvoll unterstützt haben. Einen Rückhalt fand ich auch immer bei meiner Freundin Bianca. Und auf meinen Verein, die Eislöwen, konnte ich mich auch verlassen. Trainer Popiesch sprach mir Mut zu und sagte: Werde gesund, du hast alle Zeit der Welt.
Sie spielen in einer Sportart, die gemeinhin mit Robustheit und Härte assoziiert wird. Gehen Sie da mit Ängsten anders um als andere Krebspatienten?
Für andere kann ich nicht sprechen. Ich habe zunächst an alles Mögliche gedacht. Darunter war auch Schwachsinn – aus heutiger Sicht. Ich habe sogar nach möglichen Ursachen bei mir selbst gesucht. Aber weder rauche ich noch trinke ich. Ich habe einfach Pech gehabt. In der Klinik Berlin-Buch, in der ich behandelt worden bin, habe ich dann Leute gesehen, denen es noch viel schlechter ging.
Haben Sie sich in dieser Situation auch mit der Endlichkeit des Lebens auseinandergesetzt?
Ich habe Glück gehabt, dass die Krankheit so frühzeitig entdeckt worden ist und gleich die Behandlung einsetzen konnte. Ich habe in einer bestimmten Phase auch viel gelesen, wie das Buch von Lance Armstrong über sein Krebsleiden. Aber das habe ich schnell beendet, weil ich mich nicht verrückt machen lassen wollte.
Spricht man in der Kabine über solche Schicksalsschläge?
Der Mannschaft wollte ich erst nicht sagen, dass ich relativ lange ausfallen werde. Während der Chemotherapie hatte ich Kontakt zu Hugo Boisvert.
Sie sind zumindest in der Puck-Szene kein Unbekannter. Befürchteten Sie nicht, dass Ihre plötzliche Abwesenheit in den neuen Medien wie Internet und Facebook viele Fragen bei den Fans aufwarf?
Ich habe ganz bewusst darum gebeten, dass der Verein nur in einem Satz über meinen längeren Ausfall informiert. In meiner damaligen Situation waren mir Ruhe und der Behandlungserfolg wichtig. Ich habe auch im Krankenhaus bewusst das Handy ausgeschaltet gelassen. Und ich bin den Mitarbeitern der Eislöwen-Geschäftsstelle dankbar, dass sie dicht gehalten haben.
Wie haben Sie im Frühjahr den Abstiegskampf Ihrer Mannschaftskameraden verfolgt?
Das war schlimm: Ich wollte so gerne helfen und konnte nicht. Ich habe in den Wochen immer – so weit es die Chemotherapie zuließ – das Abschneiden der Eislöwen verfolgt. Ein Besuch in Dresden in der Kabine war aber noch zu gefährlich. Meine Abwehrkräfte waren zu sehr geschwächt.
Wie haben Sie sich nach der für einen so jungen Profi ungewöhnlich langen Zwangspause wieder herangekämpft?
Ich habe immer daran geglaubt: Du schaffst das. Das hat mir auch den schnellen Weg zurück in den Sport erleichtert. Mit fleißiger Arbeit im Training hatte ich noch nie Probleme. Ich kann voll mitziehen – das gibt mir zusätzliche Kraft.
Oft ist zu hören, dass ein solcher Schicksalsschlag einen Menschen verändert. Haben Sie das auch an sich bemerkt?
Ich will zunächst weiter der Jari bleiben, den meine Eltern, meine Freundin und meine Mannschaftskameraden kennen. Aber es ist tatsächlich so, dass man die Welt mit etwas anderen Augen sieht. Ich habe ein Stück Verbissenheit abgelegt, bin lockerer geworden. Wie wahr dieser Satz von der Gesundheit als wichtigstem Gut ist, den man früher mal so von Älteren hörte, habe ich jetzt erst richtig für mich verinnerlicht.
Was wünschen Sie sich für die nächste Zeit und die neue Saison, die am Sonntag für die Eislöwen in Kaufbeuren beginnt?
Dass ich gesund bleibe und meinen Traum von Eishockey weiter leben kann. Und dass ich mich weiter so wohl in Dresden fühle wie bisher.
Wir können eine gute Rolle in der zweiten Liga spielen. Wir können jeden schlagen, wenn alles passt.