Beitragvon eisloewe62 » 20.09.2012, 08:47
SZ, 19.09.2012
„Wenn ich die neue Halle sehe, öffnet sich mein Herz“
Von Berthold Neumann
Wie Füchse-Trainer Dirk Rohrbach an der Zukunft der alten Eishockey-Hochburg Weißwasser bastelt.
Zuerst das Küsschen für seinen kleinen Sonnenschein Resi, dann verabschiedet sich Dirk Rohrbach von Frau Katharina mit einem Kuss in den Tag. Dann steuert der Trainer der Lausitzer Füchse seinen Audi Kombi in Richtung Gelände des Eishockey-Zweitbundesligisten. Hier ein Winken, da ein Flachsen – in Weißwasser mit seinen 19000 Einwohnern kennen sich noch viele persönlich. Und Rohrbach kennen sie erst recht.
Nach dem Abschied von seinen beiden Frauen kommt Rohrbachs drittes Ritual: Er schaut auf der Baustelle der neuen Eishalle vorbei. Die Kräne drehen sich, die Maschinen laufen. Ein Gruß in Richtung der Bauleute, die nicken freundlich zurück. „Alles läuft. Das ist solch ein Glücksgefühl, dass bei uns in Weißwasser etwas Neues entsteht“, sagt der 40-Jährige. Der Bauhelm gehört schon zu seinen Utensilien. „Wenn ich die neue Halle täglich wachsen sehe, öffnet sich mein Herz“, sagt Rohrbach. „Es ist nicht nur das Herzblut, mit dem wir das Baugeschehen verfolgen. Sie entfacht zusätzliche Leidenschaft für unser Eishockey, für die Stadt und die ganze Lausitzer Region.“
Auf dem Gelände des einstigen legendären Freiluft-Stadions wächst das neue Schmuckstück für knapp 3000 Besucher. Mitte nächsten Jahres wollen die Füchse hier ihr neues Domizil beziehen.
Wer den Füchse-Trainer auf dem Weg zurück zur alten Halle trifft, wird aber auch einen nachdenklichen Rohrbach erleben. Nein, für komplizierte Psychogramme ist der bodenständige Lausitzer nicht zu haben. Aber die Halle weckt nicht nur die Vorfreude. Sie birgt auch eine gewisse Last für die drei Ex-Profis an der Spitze des Zweitligisten: Geschäftsführer Matthias Kliemann, Manager Ralf Hantschke und Rohrbach. „Wir sind daran gewöhnt, jährlich um unser Überleben kämpfen zu müssen“, sagt Hantschke und meint damit die strukturschwache Region.
Die Füchse-Anhänger schauen in der am Freitag beginnenden neuen Saison aber noch genauer hin. Zur Eröffnung der neuen Halle 2013 wollen sie feiern und nicht eventuell in der Abstiegsrunde um den Klassenerhalt zittern. Undenkbar, wenn der Verein ausgerechnet im neuen Prunkstück dann Oberligisten empfangen müsste .. .
Mit solchen Szenarien beschäftigen sich sowohl Rohrbach als auch Hantschke nicht. Sagen sie jedenfalls. Aber: „Wir wissen natürlich, dass wir alles daransetzen müssen, um nicht in einen Strudel hineinzugeraten.“ Eine Situation, mit der niemand in Weißwasser gedankenlos kokettiert. Im Gegenteil, die Gefahr war vor anderthalb Jahren höchst real, und sie hätte dem professionellen Eishockey in der Lausitz fast die Existenz gekostet. In der Saison 2010/11 waren sie in eben diesen gefürchteten Sog geraten. Die Füchse taumelten mit den wenigsten Punkten und Toren aller Zweitbundesligisten scheinbar unaufhaltsam dem Abstieg entgegen.
Erst in der Abstiegsrunde gelang es, wie durch ein Wunder den Absturz noch zu stoppen. Anstelle der Füchse stiegen die – seinerzeit in der Vorrunde noch 20 Punkte besseren – Freiburger ab. „Eine Erfahrung, die uns geprägt hat und uns gleichzeitig zeigte, dass wir uns mit Zusammenhalt und geschlossenem Handeln auch aus solchen scheinbar ausweglosen Lagen befreien können“, erinnert sich Rohrbach an die höchst diffizile Lage.
Gesundheit aufs Spiel gesetzt
Und der Trainer hat möglicherweise einen hohen Preis für sein Engagement zahlen müssen: mit der eigenen Gesundheit. Dabei hatte ihn niemand trotz der drohenden Abstiegsgefahr ernsthaft in Frage gestellt. Und dass dieses Festhalten am fleißigen Arbeiter Rohrbach richtig war, zeigte die zurückliegende Saison. Obwohl nahezu alle Experten die Lausitzer als ersten Abstiegskandidaten auf dem Zettel hatten, qualifizierte sich der Außenseiter sogar für die Meisterschafts-Play-offs. In diesen Tagen erblickte Töchterchen Resi das Licht der Welt, das Glück schien sich das Haus Rohrbach als Domizil ausgesucht zu haben.
Doch dass das unglaubliche Auf und Ab bereits an seiner Konstitution nagte, wollte sich der Trainer als Letzter eingestehen. Im späten Frühjahr war plötzlich Schluss. Anstatt des geliebten Blicks auf die neue Halle stierte er täglich nur noch auf die Gardinen im Gästezimmer des eigenen Hauses.
„Ich konnte mich selbst niemandem mehr zumuten. Ich war schlapp und völlig fertig, es ging buchstäblich nichts mehr“, schildert Rohrbach die Situation. Familie und Verein schirmten ihn völlig ab – so gut, wie das in Weißwasser ging. Er, der zuvor zig Monate nur unter Spannung stand, lernte plötzlich etwas ganz anderes: „Ich musste mich zur Ruhe zwingen. Nicht an Eishockey, nicht an die Mannschaft oder die neue Halle denken – die Krankheit hat mich aber auch zur Ruhe gezwungen“, sagt er. Zunächst erinnerten die Symptome an die Burn-Out-Erkrankung. Schließlich ergab die Diagnose eine Infektion mit dem Eppstein-Barr-Virus – eine tückische Krankheit, die auch unter dem Namen Pfeiffersches Drüsenfieber bekannt ist.
Und es kam noch ganz dicke: Manager Hantschke musste sich einer komplizierten Schultergelenksoperation unterziehen – eine schwere Verletzung aus seiner Zeit in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) bei den Frankfurt Lions forderte ihren Tribut. „Das war schon ein schwieriger Sommer für uns“, sagt der 47-Jährige und lobt: „Gut, dass wir uns auf unsere Mitarbeiter verlassen konnten.“
Als beide zurückkehrten, fehlten jedoch einige vertraute Gesichter in der Kabine. Allein sieben der besten neun Scorer haben den Verein im Sommer verlassen. Zweifellos ein gewaltiger Aderlass an sportlicher Substanz. Trotzdem schluckte Rohrbach nicht, als Geschäftsführer Kliemann kürzlich die Erwartungen der Vereinsspitze hochschraubte: „Wenn wir nicht mindestens um den Platz acht spielen, brauchen wir erst gar nicht anzutreten.“ Der frühere Profi fügte hinzu: „Nur den Abstieg verhindern zu wollen, wäre doch reines Wischiwaschi.“ Mit dem achten Rang nach der Vorrunde und der Play-off-Teilnahme hätten die Füchse garantiert den Klassenerhalt geschafft.
„Das ist ein sehr ehrgeiziges Ziel, zumal viele Konkurrenten erheblich aufgerüstet haben“, sagt Rohrbach mit Blick auf die Zugänge in Bremerhaven und Heilbronn. „Aber mit ehrlicher, disziplinierter Arbeit können wir das schaffen. Weißwasser hat immer vom ausgeprägten Wir-Gefühl profitiert.“
Das soll die Füchse auch diesmal auf einer Woge des Erfolges tragen, die ihre Krönung mit der Einweihung der neuen Arena finden soll. Die kleine Resi und Frau Katharina werden den Papa und Ehemann dann noch liebevoller in die neue Halle verabschieden.